Die aktuelle Situation hat durch Social Distancing und dem Fokus die Infektionskurve abzuschwächen, viele von uns ins Home-Office „katapultiert“. Ich bin überzeugt, dass es ein Segen ist, dass wir heute die Möglichkeiten haben, auf der einen Seite Distanz zu wahren und trotzdem von zuhause aus vernetzt zu bleiben und zu arbeiten. Hätten wir diese Möglichkeit nicht, dann wären die wirtschaftlichen Konsequenzen sicherlich noch fataler wie sie ohnehin schon sind.
Ganz bewusst habe ich eingangs aber auch gesagt, dass viele von uns ins Home-Office „katapultiert“ wurden. Denn sowohl bei einigen Vorgesetzten mussten und müssen Glaubenssätze und Paradigmen durchbrochen werden – „zuhause arbeitet mein Mitarbeiter ja eh nicht richtig“ oder „wie soll ich da alles kontrollieren und den Überblick behalten?“. Es gilt ein hohes Maß an Vertrauen und Eigenverantwortung an die Mitarbeiter zu übertragen – darin liegt eine echte Chance für eine Weiterentwicklung in Unternehmen. Echte Kommunikation ist jetzt gefordert – gerade weil wir uns stärker in der Distanz bewegen, müssen wir näher zusammenrücken und stärker miteinander reden. Daher mein Tipp an alle „Chefs“ – jetzt ist die Chance für echte und ehrliche Kommunikation!
Aber in meinem Blogartikel möchte ich gerne mehr über die Herausforderung sprechen, die vielleicht einige feststellen, die momentan erstmalig oder zumindest erstmals für längere Zeit, im Home-Office arbeiten. Wie gehe ich damit um, wenn ich ein Online-Meeting mit dem Vorstand habe und just in dem Moment mein dreijähriger Sohn genüsslich an einem Butterkeks knabbernd auf meinen Schoß klettert…oder mein Partner nicht versteht, warum ich nicht jetzt gleich, mal schnell den Müll raustragen kann…oder ich voller Erstaunen feststelle, dass gerade noch früher Morgen war als ich an den Laptop gegangen bin und plötzlich schon 20 Uhr abends…
Ich denke eine der größten Herausforderungen ist, dass im Homeoffice der Übergang von Privat und Job sehr fließend ist und es vielen von uns schwerfällt, hier eine klare Trennlinie zu ziehen. Ich selbst habe in den letzten 20 Jahren meines Berufslebens immer teilweise, manchmal auch ausschließlich im Home-Office gearbeitet und will gerne ein paar Tipps weitergeben, die mir selbst geholfen haben optimal zuhause zu arbeiten.
Mein Artikel hat nicht den Anspruch eines abschließenden Ratgebers – sicher kennen viele von Euch zusätzliche, wertvolle oder bereits bessere Tipps. Ich teile ganz einfach ein paar Dinge aus der Praxis, die ich hilfreich finde.
Alle, die zuhause ein Arbeitszimmer ihr Eigen nennen können, haben natürlich einen großen Vorteil und es fällt viel leichter, Beruf und Privatleben auch im Homeoffice zu trennen. Für alle anderen gilt – wenn immer möglich – schafft Euch trotzdem einen separaten „Bürobereich“. Das kann ein kleiner Tisch o.ä. sein, der ausschließlich Eurem Job vorbehalten ist. Allein dadurch schafft man sich viel Klarheit und kann dann auch symbolisch leichter die Bürotür schließen wenn man den Arbeitsplatz verlässt.
Ich empfehle jedem – auch wenn die Verlockung noch so groß ist – nicht direkt nach dem Aufstehen, ungeduscht in Jogginghose und „Lieblings-Schlumpelpulli“ an den Schreibtisch zu gehen. Ich finde gewisse morgendliche Rituale helfen ungemein dabei, dem Tag eine Struktur zu geben und mich nicht zu weit von meinen sonstigen Gewohnheiten zu entfernen. Außerdem bin ich überzeugt, dass ich unterbewusst auch professioneller agiere, wenn ich angemessen gekleidet bin. „Angemessen“ heißt sicher nicht, dass ich zuhause in Anzug und Krawatte arbeiten muss, auch wenn das sonst in meinem Umfeld üblich ist. Aber es kann schon enorm hilfreich sein, wenn ich auch für das spontan angesetzte Online-Meeting nicht gerade im Unterhemd vor der Webcam sitze.
Für alle mit kleinen Kindern ist die Herausforderung besonders groß. Es ist auch schwer nachzuvollziehen warum Mama oder Papa zuhause sind und überhaupt keine Zeit haben… Sicher bleibt es immer ein Jonglier-Akt. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass selbst kleine Kinder ab einem gewissen Alter durchaus verstehen, wenn ich erkläre, dass ich (momentan) von zuhause arbeite und dann nicht immer Zeit habe oder auch manchmal ungestört sein muss. Hilfreich fand ich es immer Vereinbarungen zu treffen – z.B. wenn die Türe geschlossen ist, dann kann ich im Moment leider nicht, ist sie geöffnet darf ich auch gestört werden. Wenn mir kein Arbeitszimmer zur Verfügung steht, gilt es dies kreativ zu übertragen.
Wir haben aktuell aber auch eine Ausnahmesituation und das gibt die Chance zu zeigen, dass ich, auch wenn ich meine Kinder um mich habe, einen tollen Job leisten kann. Letztlich gilt es auch authentisch zu sein und wenn ich gerade in einer Online-Konferenz bin und mein Kind krabbelt auf meinen Schoß, dann halte ich es für weitaus besser, empathisch zu reagieren und das Beste aus der Situation zu machen und mein Kind nicht schroff wegzuschicken. Ich glaube, dass Menschlichkeit dem beruflichen Ansehen keinen Abbruch tut und mein Gesprächspartner dafür Verständnis hat (oder haben sollte 😊). In aller Regel haben auch unsere Kinder viel mehr Verständnis als wir denken, wenn wir ehrlich mit ihnen reden.
Wichtig ist dann aber auch, sich umgekehrt die Zeit zu nehmen – das Berufliche aus dem Privaten zu halten. Gerade wenn ich zuhause bin bedeutet das auch feste Zeiten einplanen und dann auch zugewandt gemeinsam Zeit zu verbringen und nicht gedanklich schon beim nächsten Telefonat oder der nächsten E-Mail zu sein. Der große Vorteil ist die Flexibilität – sinnvoll eingesetzt, ein echter Mehrwert. Z.B. haben die meisten von uns normalerweise eine gewisse Anfahrtszeit ins und vom Büro, die nun wegfällt und die ich nun meinen Kindern schenken kann. Und warum nicht die Mittagspause mit der Familie nutzen oder statt der Kaffeepause eine kurze Auszeit mit den Kindern zwischen zwei Online-Meetings nehmen?
Apropos Mittagspause – Menschen, die selbst noch nie im Home-Office gearbeitet haben, denken zuhause arbeiten sei eine einzige Pause – in aller Regel ist das Gegenteil der Fall und Pausen werden häufig von vielen vergessen. Ähnlich wie bei den Ritualen am Morgen und Abend oder den festen Zeiten für die Kids, ist es am besten auch Auszeiten richtig zu planen. Ein paar Minuten an die frische Luft, mal zwischendurch eine Tasse Tee oder tatsächlich mit den Kindern eine Runde Tischtennis oder für 10 Minuten aufs Trampolin steigen – das macht den Kopf frei, den Kids Spaß (und auch den Erwachsenen 😉) und gibt Kraft für neue Aufgaben.
Letztlich geht es immer um die richtige Balance – Home-Office kann ein Geschenk sein, sowohl für meine Tätigkeit, da ich mich häufig auf das Wesentliche konzentriere und Aufgaben viel bewusster erledigen kann, aber auch für mein Privatleben – weil ich z.B. das Mittagessen gemeinsam mit meiner Familie genießen kann. Das kleine Geheimnis ist für mich Struktur, Planung und eine gewisse Selbstdisziplin, dann kann das Home-Office wirklich ein Win-Win sein – privat und beruflich!
Und auch wenn du diese Ideen schon beherzigst, dann freuen wir uns sicher alle auf den Tag, ab dem Home-Office wieder stärker den Charakter einer freiwilligen Option einnimmt und nicht als ein „notwendiges Übel“ erscheint. Denn erst dann können wir uneingeschränkt seine wahren Vorteile genießen. In diesem Sinne: Bleibt gesund!